Twelve Days to London
Tag 12 - Waffenstillstand

Tag 12 - Waffenstillstand

1883, Jul 17    

Die Meldungen des Tages: +++ Royal Navy schlägt Französische Flotte bei den Scilly Islands. +++ Regierung in Washington vermittelt Waffenstillstand zwischen Frankreich und England. +++

Die Navy ist da!

Die Woche im Bild, Bern, 17. Juli - Sonderausgabe

unser Auslandskorrespondent Rudolf Sternberg berichtet aus Dover.

Die letzten Tage war hier in Dover vom Krieg praktisch nichts zu hören. Aus London drangen einzelne Nachrichten bis hierher vor, aber abgesehen von den immer noch sichtbaren Patrouillen der Dover Defence League war der Krieg bis heute Mittag aus dem Stadtbild verschwunden. Das endete am frühen Nachmittag, als ein schneller Aviso der Royal Navy in den Hafen einlief. Noch während die Besatzung mit dem Festmachen beschäftigt war, begab sich ein Offizier in die Festung, um Bericht zu erstatten - und eine Stunde nach Einlaufen des Schiffes begann man, von der Festung aus Salut zu schießen. Ich hatte am späteren Nachmittag Gelegenheit, mit einem jungen Fähnrich zu sprechen, dessen Bericht ich hier in ungefährem Wortlaut wiedergebe:

“Unser Schiff gehört der Particular Service Squadron an, die in den letzten beiden Wochen in der Irischen See zusammengezogen und durch ein kampfkräftiges Geschwader der Mittelmeerflotte verstärkt worden ist. In der gestrigen Nacht sind wir dann Richtung Kanal aufgebrochen; auf Höhe der Scilly Islands erwartete uns eine französische Flotte von acht Panzerschiffen, sieben Kreuzern und elf Torpedobooten. Unser Admiral griff mit unserem eigenen Geschwader von sechs Panzerschiffen, vier Kreuzern, unserem Schwesterschiff HMS Mercury und uns selbst sofort an. Insbesondere die französischen Torpedoboote sorgten zunächst für Sorge, rief doch ihr Auftreten Erinnerungen an die Vernichtung der Channel Squadron zu Anfang des Krieges wach. Doch war heute das Wetter zwar gut, die See aber sehr bewegt; damit konnten wir die Angriffe der französischen Torpedoboote schnell abwehren, denn im hohen Seegang konnten diese kaum manövrieren und waren eine leichte Beute für unsere Kanonen. Unser Admiral führte sein Flaggschiff HMS Thunder Child dann auf Kernschußweite an die französische Linie heran, und nach zweistündigem, schweren Gefecht waren die meisten französischen Schiffe entweder versenkt oder hatten die Flagge gestrichen. Uns selbst gelang es, ein französisches Panzerschiff mit einem Torpedoschuß zu versenken. Die eigenen Verluste waren nicht gering - zwei unserer Panzerschiffe wurden versenkt, das Flaggschiff ist nicht mehr kampffähig, alle anderen Schiffe sind mehr oder weniger beschädigt -, doch unser Admiral wechselte auf die HMS Clampherdown und ist gerade dabei, den Kanal vollständig von feindlichen Schiffen zu säubern. Er dürfte am späten Abend vor Dover und am kommenden Morgen vor der Themsemündung stehen.”

Soweit der Bericht des jungen Fähnrichs. Der englische Sieg zur See wird sicherlich bei den kommenden Friedensverhandlungen, von denen man jetzt hört, eine große Rolle spielen, nimmt er doch den Franzosen die Möglichkeit, ihre Truppen in England zu versorgen. Andererseits trafen in den Abendstunden auch Nachrichten in Dover ein, wonach London inzwischen in Teilen in Händen der Franzosen ist. Auch wenn die Freude hier in Dover dadurch kaum getrübt worden zu sein scheint, wird das besetzte London - man spricht vom gesamten Stadtgebiet südlich der Themse - ein mächtiges Pfund sein, mit dem die französische Regierung bei Friedensverhandlungen wuchern kann. Auch wenn man hier in Dover auf der Straße zumeist jubelnde Bürger antrifft, werde ich das Gefühl nicht los, daß der am Ende ausgehandelte Frieden für die Engländer nicht ganz so vorteilhaft werden wird, wie sich manche das hier in Dover vielleicht erhoffen.

Waffenstillstand - wird London Paris Remis anbieten?

Global Examiner, New York, 17. Juli

Eine Analyse von Robert Woolworth.

Wenngleich die offiziellen Töne sowohl in Paris als auch in London heute von pathosschwangeren Siegesreden dominiert werden: Der Ausgang dieses französischen London-Feldzugs kann wohl am ehesten als strategisches Patt gedeutet werden. Der heute von President Arthur vermittelte Waffenstand wird den Regierungen in London und Paris Gelegenheit verschaffen, sich noch einmal in Ruhe über ihre Ziele und Möglichkeiten in diesem Konflikt klar zu werden. Aus Militärkreisen heißt es, an die 10.000 Junge Briten, Australier und Kanadier hätten in diesem Krieg schon ihr Leben gelassen. Und die Erfahrung früherer Kriege lehrt uns, daß sicher mindestens ebenso viele Arme oder Beine verloren haben. Den Krieg fortzuführen, auch wenn ein englischer Sieg nur eine Frage der Zeit wäre, wird sicher noch einmal so viele Leben kosten, von der Verwüstung der Londoner Innenstadt ganz zu schweigen, liegen doch jetzt fast alle wichtigen Baudenkmäler der Stadt, ebenso wie der Hafen in Reichweite der französischen Artillerie. Die Englische Politik ist darum auch geteilt, und die Teilung verläuft durch Regierung, Parlamente, und sogar durch die Parteien. Der Preis, den England für seinen sicheren Sieg wird zahlen müssen, erscheint vielen sehr hoch, vielleicht zu hoch, wenn er sich mit ein paar Zugeständnissen in der Ägyptischen Frage vermeiden lässt. Zu sehr erinnert die Situation alle an die Krise mit der Pariser Kommune vor 12 Jahren. Nur, wie manch einer anmerkt, wird die Stadt hier nicht von schlecht bewaffneten Milizen gehalten, sondern von zwei französischen Armeekorps. Anderen hingegen scheint kein Preis zu hoch, die Schmach der Invasion zu vergelten, und in manchen Kreisen werden schon Stimmen laut, die in ihren Forderungen noch weiter gehen: Die Königin solle doch endlich die “Debattierclubs”, zu denen Regierung und Parlamente verkommen sind, entmachten angesichts der Notlage die diese durch ihr eigenes Versagen erst verschuldet haben. Die Königin solle den Krieg stattdessen in fähige Hände legen, und den erfolgreichen General Mallingham vorübergehend zum Commander-in-Chief und Lord Protector des Empire ernennen. Doch gerade das Königshaus schweigt bisher zur Frage, ob dieser Krieg heute endet, oder noch weiter geführt werden soll.